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AGB-Prüfung nach FernAbsG
RAM-Speicher
§ 13 AGBG, § 3 ABs. 2 Nr. 2 FernAbsG
OLG Dresden; Urteil vom 23.08.2001; 8 U 1535/01
Der Ausschluss von RAM-Bausteinen und anderen besonderen Hardware-Speicher-Medien aus dem einem Internet-Kunden nach § 3 Abs. 2 S. 1 FernAbsG (ab 01.01.2001 312d BGB; Anm. d. Kanzlei) zustehenden Widerrufsrecht ist mit dem Gesetz nicht vereinbar; eine solche Regelung in den AGBen des Internet-Händlers ist daher insgesamt unwirksam.
(Leitsatz der Kanzlei Flick & Saß)
Aus dem Tatbestand:
(..)
Die Klägerin, ein Verband zur Wahrung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, begehrt von der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Verwendung einer AGB-Klausel. Die Beklagte bietet im Internet u.a. elektronische Bauteile an. Ihre per download abrufbaren AGBs für Verbraucher enthalten folgende Klausel:
"7. Widerrufsrecht
...
Die Rücksendung von Software, Datenträgern, Audio- und Videoaufzeichnungen ist ausgeschlossen, wenn das Siegel gebrochen ist.
Ebenso sind vom Widerrufsrecht Computer und technische Geräte ausgeschlossen, die im sogenannten BTO-Verfahren (Built-to-Order) von uns speziell für sie maßgeschneidert wurden. Ausgeschlossen ist schließlich der Widerruf bezogen auf Waren, die naturgemäß für die Rückgabe ungeeignet sind. Dies gilt für RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien ..."
Die Parteien streiten im wesentlichen darüber, ob die genannten Bauteile im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG Waren sind, die "aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet sind", so dass der Ausschluss des Widerrufsrechts in den AGB zulässig ist.
Die Beklagte macht geltend, es würden immer wieder vom Kunden vertauschte oder beschädigte Bauteile an sie zurückgesandt. Dies sei - beispielsweise bei RAM-Bausteinen mit unterschiedlicher Kapazität und unterschiedlichem Preis, die sich im Aussehen jedoch praktisch nicht unterscheiden - oft nicht ohne weiteres festzustellen, da entsprechende Artikelnummern nicht aufgebracht seien. Darüber hinaus seien zurückgegebene elektronische Bauteile und Speichermedien wegen der potentiellen Gefahr der Verseuchung mit Computerviren, trojanischen Pferden und Würmern unverkäuflich. Eine aufwendige Testung sei der Beklagten unzumutbar.
Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen und auf den Widerspruch der Beklagten hin nach mündlicher Verhandlung aufrecht erhalten. Allein die Empfindlichkeit der Ware vermöge die Ungeeignetheit für eine Rücksendung nicht zu begründen. Der Versender sei durch § 361 a Abs. 2 Satz 4 BGB hinreichend gegen die befürchteten Beschädigungen geschützt. Für die Überprüfbarkeit zurückgesendeter Waren auf Unbeschädigtheit sei der Versender verantwortlich. Die Garantie der Neuwertigkeit könnte durch geeignete Versiegelung erreicht werden.
(...)
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
I. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin einen Anspruch gegenüber der Beklagten aus § 13 Abs. 1 AGBG auf Unterlassung der Verwendung der umstrittenen Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verbraucher im Fernabsatz zuerkannt.
Ein Unterlassungsanspruch nach dieser Norm ist, wenn die betreffende Klausel gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (Wolf-Horn-Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 13, Rn. 38; Staudinger-Schlosser, AGBG, 1998, § 13, Rn. 24 f.), jedenfalls dann gegeben, wenn die verletzte Norm die gleiche Schutzrichtung wie § 9 AGBG hat (vgl. Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., § 13 AGBG, Rn. 3/4). § 22 AGB greift nicht ein; bei Verwendung unwirksamer AGBG gilt ausschließlich § 13 AGBG (Palandt, § 22 AGBG, Rn. 2).
1. Die streitige Klausel verstößt gegen das gesetzliche Verbot der §§ 5 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 FernAbsG. Danach steht dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen prinzipiell ein unabdingbares Widerrufsrecht zu. Von dieser Regelung gibt es zwar in § 3 Abs. 2 Ziffern 1 bis 5 FernAbsG normierte Ausnahmen. Die in der Klausel genannten Produkte fallen aber nicht unter eine dieser Ausnahmeregelungen.
a) Der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Ziff. 1 FernAbsG greift nicht ein.
Dieser Norm zufolge besteht ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht bei Fernabsatzverträgen betreffend Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind. Rechtsprechung zu dieser Regelung gibt es noch nicht. Auch die Literatur ist in Bezug auf diesen Begriff bislang wenig ergiebig (vgl. Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., § 3 FernAbsG, Rn. 8; Härting, FernAbsG, § 3, Rn. 72 - 74; Ring, FernAbsG, Rn. 227; Lorenz, JuS 2000, 833, 839). Ring und Lorenz stellen darauf ab, ob der Verbraucher nach der Rücksendung noch von der Leistung weiter profitieren könne, die Rücksendung also "rückstandsfrei" möglich sei. Dies sei etwa dann ausgeschlossen, wenn unter Verletzung des Urheberrechts vor Rücksendung eine Kopie hergestellt werden könne.
Eine Auslegung des § 3 Abs. 2 Ziff. 1 FernAbsG ergibt, dass RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien nicht unter diese Regelung fallen.
aa) Die wörtliche Auslegung spricht für das vom Senat gefundene Ergebnis. Es ist nicht ersichtlich, warum die Rücksendung der genannten Gegenstände ihrer Art nach nicht möglich sein sollte. Durch den Versand selbst werden sie nicht unbrauchbar. Vielmehr kann man sie unendlich oft hin- und herschicken, ohne dass sie - außer durch bloßen Zeitablauf - an Wert verlieren oder unbrauchbar werden.
bb) Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BR-Drucksache 25/00, S. 117 - 119) behandelt § 3 Abs. 2 FernAbsG Fälle, in denen die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar ist. Als Beispielsfall wird der Heizölkauf genannt. Durch Vermischung mit den Rückständen im Tank des Verbrauchers würde sich die Zusammensetzung des Heizöls ändern. Das Heizöl wäre dann in seiner ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden. Deshalb sei Heizöl vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Die hier fraglichen Waren sind mit Heizöl nicht vergleichbar. Die von der Beklagten vertriebenen Produkte wären auch nach der Rücksendung noch körperlich identisch vorhanden. Es mag sein, dass die genannten Produkte nach bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme durch den Verbraucher faktisch wertlos sind. Dies beruht jedoch nicht auf einer Abnutzung, Vermischung oder dergleichen, sondern darauf, dass zurückgegebene Computerbauteile wegen der Gefahr der Verseuchung mit Viren und ähnlichem nicht oder nur sehr schwer verkäuflich sind. Dieses Risiko eines erheblichen Wertverzehrs allein infolge der vom Markt gesehenen abstrakten Gefahr, dass der zurücksendende Verbraucher den Gegenstand benutzt hat, ist jedoch kein spezifisches Risiko, das ausschließlich im Fernabsatzhandel mit Computerbauteilen besteht. Vielmehr wird auch bei vielen anderen Waren ein Käufer auch bei äußerlicher Neuwertigkeit nicht mehr bereit sein, den Neupreis zu bezahlen, wenn er weiß, dass der Gegenstand möglicherweise von einem anderen vorher bereits in Benutzung genommen worden, ist in erster Linie wohl wegen der potentiellen Gefahr einer nicht sofort erkennbaren Beschädigung. Dieses allgemein für den Unternehmer im Falle des Widerrufs bestehende Risiko kann jedoch nicht zur Anwendung der Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG führen. Das Risiko dieses Wertverlustes trägt in jedem Falle nach der gegenwärtigen Rechtslage der Unternehmer.
Hierfür spricht neben dem Wortlaut des § 361 a Abs. 2 Satz 6 BGB die Tatsache, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz diskutiert wird, einen neuen § 357 Abs. 3 in das BGB einzufügen, mit welchem eine verschuldensunabhängige Haftung des Verbrauchers für die durch die Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung eingeführt werden soll (Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BMJ, Referat I B 2, Az.: 3420/12-4, Stand: 04.08.2000, Seite 45). Die in Erwägung gezogene Änderung wird damit begründet, dass bisher der Unternehmer bei Fernabsatzgeschäften den durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstehenden Wertverlust stets allein zu tragen habe, da er, anders als in den Fällen sonstiger verbraucherschützender Widerrufsregelungen wegen § 3 Abs. 1 FernAbsG nicht durch Zurückhaltung der Ware bis zum Ablauf der Widerrufsfrist dieses Risiko auf den Verbraucher verlagern könne (a.a.O., S. 434). Ob es zu einer derartigen Gesetzesänderung kommt, die zwar das Risiko für die Unternehmer mindern, jedoch das Widerrufsrecht faktisch aushöhlen würde, weil der Verbraucher für einen im Einzelfall erheblichen Wertverlust aufkommen müsste, ist dem Senat nicht bekannt. Die Überlegungen zeigen aber, dass der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Fernabsatzgesetzes sich der Belastung der Unternehmer mit diesem Risiko durchaus bewusst war.
cc) Von seiner Stellung im Gesetz her bietet § 3 Abs. 2 Ziff. 1 FernAbsG keine Möglichkeit, ihn in der von der Beklagten gewünschten Art und Weise zu interpretieren. Die Ausnahmen in § 3 Abs. 2 FernAbsG sind abschließend. Wie die anderen dort aufgeführten Ausnahmetatbestände zeigen, hat der Gesetzgeber diese sehr detailliert beschrieben, was eher für eine wortgetreue Auslegung spricht.
b) Die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 Ziff. 2 FernAbsG kommt allenfalls für Motherboards in Frage, da diese mit einer Software (BIOS) ausgestattet sind. Nach dieser Vorschrift besteht das Widerrufsrecht bei Lieferungen von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software nicht, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind. Die fragliche AGB-Klausel der Beklagten macht den Ausschluss des Widerrufsrechtes aber nicht von einer Entsiegelung durch den Verbraucher abhängig. Die Frage, ob § 3 Abs. 2 Ziff. 2 teleologisch dahingehend zu reduzieren ist, dass jederzeit kostenfrei erhältliche Software nicht unter diese Norm fällt, weil insofern eine Verletzung des Urheberrechtes nicht zu befürchten ist, kann daher dahinstehen.
c) Eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 2 Ziff. 1 FernAbsG scheidet aus. Es mangelt schon an einer planwidrigen und ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. Das Fernabsatzgesetz ist ein typisches Verbraucherschutzgesetz. Analogien zugunsten der Unternehmer sind daher nur sehr eingeschränkt vorzunehmen. Hier ist schon angesichts der präzise gefassten einzelnen Ausnahmetatbestände nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber darin nicht explizit erwähnte Waren ebenfalls vom Widerrufsrecht ausnehmen wollte. Für die hier umstrittenen Warengruppen besteht dafür auch kein Anlass. Das Risiko des Unternehmers überschreitet das von § 361 a Abs. 2 Satz 6 BGB ohnehin vorausgesetzte Maß nicht. Eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 2 Ziff. 2 FernAbsG scheidet ebenfalls aus. Der Schutzzweck dieser Norm ist hier nicht einschlägig. Sie soll den Unternehmer wirksam vor der Verletzung seiner Urheberrechte schützen (Herting, a.a.O., Rn. 79). Eine Verletzung ihrer Urheberrechte befürchte die Beklagte aber gerade nicht.
2. Zu Recht hat das Landgericht im Sinne einer Hilfserwägung darauf hingewiesen, dass der Ausschluss des Widerrufsrechtes jedenfalls gegen §§ 8 Abs. 2 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VerbrKG verstößt und daher gem. § 18 Abs. 1 VerbrKG unwirksam ist. Die Beklagte bietet nämlich in Ziff. 4 d) ihrer AGB die Finanzierung des Kaufpreises u.a. durch Vermittlung einer Bank an. In diesem Fall bleibt auch dann, wenn dem Verbraucher nach dem FernAbsG kein Widerrufsrecht zusteht, das Widerrufsrecht nach dem VerbrKG bestehen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 VerbrKG). Der Widerruf des Kreditvertrages nach § 7 VerbrKG hat zur Folge, dass der Verbraucher an seine auf den Abschluss des verbundenen Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung nicht gebunden ist (§ 9 Abs. 2 VerbrKG). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites kommt es auf diese Frage jedoch nicht an.
3. Ob für eine Unterlassungsklage gem. § 13 AGBG neben dem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu fordern ist, dass das Verbot die gleiche Schutzrichtung wie § 9 AGBG hat (so Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., § 13 AGBG, Rn. 3/4) kann dahinstehen, da diese Voraussetzung hier jedenfalls gegeben ist.
(...)
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